Symbolbild Schokolade
Konsum
#fairhandeln

Bitterer Beigeschmack – die Kinderarbeit hinter der Schokolade

Jeannie

Jeannie, 26 Jahre

Der Gefallen an Schokolade ist etwas, das Menschen weltweit miteinander teilen. Doch, dass dieses köstliche Gut oft unter kinderausbeutenden Bedingungen hergestellt wird, wissen die wenigsten. Organisationen des Fairen Handels gehen jedoch gegen diese Missstände vor.

Schokoladeneis. Mit Schokostreuseln. Dann eine Tafel pure Vollmilchschokolade. Oder lieber Schokoladentorte. Oder aber ein heißer Kakao mit Sahne! Was würden wir nur ohne diese unglaublich leckere, süße braune Bohne mit Namen Kakao machen? Wir begegnen ihr überall in Form leckerer Speisen, und kaum eine*r genießt sie nicht. Jede*r Deutsche verdrückt im Schnitt fast zehn Kilogramm Schokolade pro Jahr. Doch wenige wissen, wo genau Schokolade herkommt und unter welchen Bedingungen sie hergestellt wird.

Schokolade wird aus Kakaobohnen gemacht und rund 70 Prozent der Kakaobohnen, die weltweit zu Schokolade verarbeitet werden, kommen aus Westafrika. Diese Kakaobohnen werden von Menschen gepflückt, getrocknet, geröstet, zu Pulver zerkleinert, und dann mit verschiedenen Zutaten gemischt, bis sie so aussehen wie die Schokolade, die wir essen.

Eine erschütternde Wahrheit

Leider birgt dieser Entstehungsprozess oft ein trauriges Geheimnis. Die Menschen, die die Kakaobohnen vom Baum pflücken, sind nämlich oft Kinder. Kinder, die für diese Arbeit wenig bis gar nicht bezahlt werden. Kinderarbeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Schokoladenherstellung von großen Firmen wie Nestlé, Mars, oder Mondelèz, der Firma die die Milka-Schokolade vertreibt. Auf der ganzen Welt gibt es 160 Millionen Kinderarbeiter*innen. Das sind fast zwei Mal so viele Menschen wie die ganze Bevölkerung Deutschlands umfasst! Die Hälfte davon arbeitet unter sogenannten „ausbeuterischen“ Verhältnissen. Kinderarbeit ist nämlich nicht gleich Kinderarbeit.

Andrea Fütterer vom Forum Fairer Handel erklärt: „Zwischen Kinderarbeit in Form von leichter Mithilfe in der Landwirtschaft und in Form von Ausbeutung, muss ganz deutlich unterschieden werden. Gerade in der Landwirtschaft ist es üblich, dass Kinder ab und zu mal auf dem Feld helfen, aber das behindert sie nicht in ihrer Entwicklung oder in ihrer Schulbildung.“ Bei ausbeuterischer Kinderarbeit hingegen könnten die Kinder nicht mehr in die Schule gehen, erklärt die Vorstands-Chefin der Fair-Trade-Organisation weiter, „und sie verrichten Arbeit, die körperlich sehr anstrengend und gesundheitlich schädlich sein kann. Im schlimmsten Falle werden sie versklavt.

Andrea FüttererQuelle: Forum Fairer Handel/Rolf K. WegstAndrea Fütterer arbeitet seit 19 Jahren bei der GEPA und ist dort Leiterin der Grundsatzabteilung. Seit 2016 ist sie außerdem Vorstandsvorsitzende von Forum Fairer Handel e.V. (FFH). Ihre Erfahrung im Fairen Handel ist auch ihrem Engagement in Entwicklungsländern zu verdanken. Vor ihrem Debüt bei der GEPA arbeitete sie acht Jahre lang als Beraterin für Kleinbauernorganisationen in Honduras und Nicaragua. Das FFH ist der Verband des Fairen Handels in Deutschland, dessen Ziel es ist, das Profil des Fairen Handels zu schärfen, gemeinsame Forderungen gegenüber Politik und Handel durchzusetzen und eine stärkere Ausweitung des Fairen Handels zu erreichen. Einmal im Jahr veranstaltet das Forum Fairer Handel die Faire Woche – die größte Aktionswoche des Fairen Handels in Deutschland.

Das Leid der Kinder

Leider findet diese Form von ausbeuterischer Kinderarbeit gerade in der Schokoladenproduktion häufig statt. Besonders die Elfenbeinküste, ein Land an der Westküste Afrikas, ist bekannt für Kinderarbeiter auf den Kakaoplantagen. Dort werden die Kinder oft von ihren Familien weggebracht, mit dem Versprechen, dass sie ein wenig Geld verdienen können und dann zurück zu ihren Eltern kommen. Stattdessen werden sie auf Plantagen verschleppt, wo sie dann mehrere Stunden pro Tag mithilfe von gefährlichen Werkzeugen, wie Macheten, den Kakao ernten müssen. Zeit für die Schule bleibt nicht. Zeit für Spielen auch nicht. Die jüngsten unter ihnen sind lediglich fünf Jahre alt! Das ist ein Alter, in dem man eigentlich aufgeregt darüber sein sollte, bald in die erste Klasse zu kommen. Für die Kinder auf den Plantagen eine utopische Vorstellung. Zwei Jungen, die es geschafft haben, von den Plantagen zu fliehen, erzählten Reporter*innen der ARD im Jahr 2010 über die Zustände dort. Demnach wurden sie geschlagen, wenn sie zu langsam gearbeitet haben, und bei Fluchtversuchen oft wieder eingefangen. Und bis heute hat sich auch kaum etwas an diesen Zuständen geändert. In vielen Fällen bekommen sie kein Geld für ihre Arbeit, wenn es „gut“ für sie läuft, verdienen sie ein paar Cent pro Tag.

Die Schuld der Konzerne

Die Ursachen für diese Missstände liegen im Kern meistens an der Struktur des Systems. Die Eltern verdienen nicht genug Geld, um ihre Familie zu versorgen, denn die großen internationalen Konzerne versuchen, so viel Gewinn wie möglich zu machen, indem sie für Ware einen möglichst niedrigen Preis zahlen. Und all das, obwohl die oben genannten Schokoladenkonzerne im Jahr 2001 ein Dokument unterschrieben haben, in dem sie sich dazu bereiterklären, Kinderarbeit bis zum Jahr 2005 zu stoppen. 16 Jahre später existiert Kinderarbeit immer noch. Die Frage, die sich wohl am dringendsten stellt, ist: Wie kommen Firmen wie Nestlé mit diesen Menschenrechtsverstößen davon? Noch dazu, wenn Kinderarbeit in den Hauptherkunftsländern des Kakaos, Ghana und Elfenbeinküste, eigentlich verboten ist?

Laut Andrea Fütterer hat dies mehrere Gründe. Zum einen sei es schwierig, den Firmen die Kinderarbeit mithilfe von konkreten Beispielen nachzuweisen. Verdeckte Reporter*innen decken die Sachlage zwar oft auf, doch es bleibt trotzdem schwer, das ausreichend zu belegen, sodass die Firmen bestraft werden könnten. Ein weiterer Grund sei, dass öffentliche Abstrafung immer nur für kurze Zeit einen Effekt hat. Skandale würden in den Medien nur einige Wochen lang anhalten, bis sie wieder in Vergessenheit geraten. Außerdem sei es natürlich schwer, riesige Firmen wie Nestlé zu boykottieren, da sie viele Tochterunternehmen haben.

Wie kann man dagegen angehen?

Auf Anfrage der Reporter*innen der ARD redet Nestlé sich mit dem Argument der Unwissenheit raus. Da sie die Farmen nicht besäßen, sondern lediglich deren Ware abkaufen würden, könnten sie nicht kontrollieren, was auf ihnen passiert und wüssten daher nichts von der Kinderarbeit. Dass sich aufseiten der Großkonzerne in naher Zukunft viel ändert, ist folglich unwahrscheinlich. Schließlich verdienen sie eine Menge Geld mit diesem System.

Möchte man also etwas gegen diese Ungerechtigkeit tun, muss man als Konsument*in verzichten und zwar auf die Schokolade der meisten großen Hersteller. Das soll aber nicht bedeuten, dass Schokolade nun gänzlich tabu ist. Dank Fair-Handels-Unternehmen, wie der GEPA, WeltPartner, Globo, El Puente und Co. werden gerecht gehandelte Alternativen geboten. Produkte, die aus dem Fairen Handel kommen, sind frei von Kinderarbeit, helfen Kinderarbeit vorzubeugen und unterstützen Produzent*innen, die auf ehrliche und gerechte Art ernten, indem sie ihnen faire Preise zahlen und langfristige Handelsbeziehungen zusichern. Des Weiteren versuchen die Akteur*innen des Fairen Handels, den Produzent*innen die Wichtigkeit von Schulbildung für ihre Kindern klarzumachen und sie finanzieren sie auch mit.

Die Kraft der Konsument*innen – im Supermarkt und in der Kommune

Bei einer Tafel fair gehandelter Gepa-Schokolade geht rund ein Viertel des Erlöses an die Bäuer*innen zurück. Beim Kauf von zehn Tafeln fairer Schokolade, die insgesamt 20 Euro kosten, gehen folglich 5 Euro an den Bauern oder die Bäuerin. Zum Vergleich: Auf dem sogenannten freien Markt bekommt der Bauer nur noch rund 6,6 Prozent des Preises einer Tafel Schokolade. Die ist natürlich auch billiger und zehn Tafeln kosten vielleicht nur 10 Euro. Dem Bauern bringt das für die gleiche Menge also 66 Cent.

Zwei Dinge, die sich Andrea Fütterer wünscht, um gegen Missstände in den Lieferketten und gegen Kinderarbeit anzugehen, wären, dass die Politik mit Gesetzen endlich härter durchgreift und ein Verbot von Dumpingpreisen erlässt. Der/die Konsument*in kann die Welt nämlich nicht alleine verändern, auch auf politischer Ebene muss etwas geschehen. Eine weitere Sache, die Andrea Fütterer sich wünscht, ist, dass in der nahen Zukunft unfair gehandelte Produkte gelabelt werden würden, statt andersrum. Also Schokolade auf der stehen würde „Beim Kauf dieser Schokolade unterstützen Sie Konzerne, die sich der Kinderarbeit bedienen“. Wer würde so eine Schokolade denn da noch kaufen wollen?

playfacebook twitteryoutubeinstagram