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„Faire Kleider machen Leute“: Über ethischen Konsum & Herausforderungen in der Textilindustrie

Charlotte P., 27 Jahre

In der Mode geht es offensichtlich ums Aussehen. Um all das, wie wir vermeintliche körperliche Makel verstecken können, um uns wohl in unserer Haut oder eher wohl in einem bestimmten Kleidungsstück zu fühlen. Wer kennt nicht das Gefühl, das neue T-Shirt voller Vorfreude zum ersten Mal anzuziehen, vor dem Spiegel zurechtzuzupfen und sich den ganzen Abend heimlich in der Spiegelung vom Restaurantfenster anzuschauen, um sich über das neue Lieblingsteil zu freuen?
Ja, Kleidung ist auch ein Mittel zum Zweck, damit wir uns unserer Nacktheit nicht schämen. Außerdem kann Kleidung vor äußeren Einflüssen wie Kälte, Wind oder Regen schützen. Aber für viele Menschen ist Mode mehr: ein Hobby, ein Zeitvertreib, eine Möglichkeit, Individualität oder auch politische Botschaften auszudrücken oder sich zugehörig zu fühlen. Mit Kleidung kann man zeigen, dass man Geld hat (z.B. durch Markenklamotten) oder dass man weniger Wert auf Kleidung legt. „Kleider machen Leute“ – das haben wir schon in der Schule gelernt: Häufig bilden wir uns schon beim ersten Treffen aufgrund des Aussehens und Kleidungsstils eine Meinung über andere Menschen. Wir lesen die Outfits unserer Mitmenschen quasi als Code, um sie schnell und einfach in Schubladen einzuordnen und daraufhin ihren Charakter bewerten zu können. Dies passiert häufig automatisch und unterbewusst – es hilft in jedem Fall immer, sich dessen bewusst zu sein und Menschen nicht nach ihrem Aussehen zu bewerten.

Aber zurück zu meinem neuen T-Shirt: Ich habe es geschenkt bekommen, es ist weich und fällt ganz wunderbar seidig über die Schultern und am liebsten würde ich es jeden Tag anziehen. Es sieht einfach toll aus. Aber es gibt einen Aspekt, den wir, in der ganzen Diskussion um Mode, Shopping, Styling und Glamour, obwohl wir uns so intensiv mit unserem eigenen Aussehen und dem Aussehen anderer beschäftigen, häufig vergessen. Und das ist die Herkunft unserer Kleidung. In manchen Lebensbereichen ist die Frage nach der Produktion sehr in den Fokus gerückt, wie beispielsweise bei Lebensmitteln. Dort findet man endlos viele Labels, die regionale oder biologische Produktion zertifizieren. Nicht so in der Modebranche.
Also wo kommt mein neues T-Shirt denn jetzt her? Und welche Personen, Unternehmen und Strukturen unterstütze ich mit meinem Kauf? Kann man das überhaupt herausfinden? Die Antwort ist wie immer nicht so einfach, denn die Lieferketten sind sehr komplex und undurchsichtig. Spätestens seit dem Einsturz des Rana Plaza Gebäudes 2013 in Bangladesch, in welchem mehr als 1.000 Textilarbeiter*innen ums Leben kamen, kann zumindest niemand mehr behaupten, über die Zustände der Modeindustrie nichts gewusst zu haben. Aber das war ja nur ein Einzelfall und jetzt ist alles besser, oder nicht? Leider ist das nicht so. Zwar wurden seitdem einige Maßnahmen zur Verbesserung der Mitarbeitenden eingeleitet, aber es gibt weiterhin einige Punkte, die die Schattenseiten der glamourösen Fashion- Welt aufzeigen:

  • Sehr geringe Löhne: Um Kleidung so billig verkaufen zu können, werden die Textilarbeiter*innen, die meistens in Ländern des Globalen Südens unsere Kleidung anfertigen, mit sehr wenig Geld bezahlt, sodass sie ihre Existenz kaum sichern können.
  • Schlechte und gefährliche Arbeitsbedingungen: Die Arbeitstage sind oft sehr lang und ohne Pausen, die Luft schlecht und der Geräuschpegel hoch. Es werden giftige Chemikalien mit unzureichenden Schutzmaßnahmen verwendet. Sicherheitsstandards in den Fabriken werden häufig nicht eingehalten.
  • Kaum Arbeitsrechte: Da die Näher*innen häufig pro Kleidungsstück und nicht nach Stunden bezahlt werden, arbeiten sie unter hohem Zeitdruck und Stress. Daher bleibt keine Zeit, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen und sich für Arbeitsrechte einzusetzen. Meist gibt es keine festen Arbeitsverträge. Es gibt immer wieder Berichte, in denen von Zwangsarbeit berichtet wird, z.B. in der Baumwollernte.
  • Benachteiligung von Frauen: Der Großteil der in der Textilindustrie beschäftigten Personen sind Frauen, daher sind diese von den schlechten Bedingungen deutlich stärker betroffen. Zusätzlich sind sie sexualisierter Gewalt ausgesetzt und männliche Kollegen verdienen häufig mehr Geld für gleiche Arbeit.
  • Kinderarbeit: Es arbeiten noch immer Kinder in der Textilindustrie – und das unter katastrophalen Arbeitsbedingungen. Damit wird diesen Kindern die Chance auf Schulbildung und somit ein besseres Leben fast unmöglich gemacht.

Das ist schockierend zu lesen und auch die Fotos von diesen Fabriken anzuschauen, macht in keinem Fall Spaß. Aber es ist die Realität, in der wir leben. Und ich für meinen Teil habe entschieden, dass ich diese Lebens- und Arbeitsbedingungen für Menschen, die auf dem gleichen Planeten leben wie ich, die Wünsche, Gefühle, Ideen und Träume haben, wie ich, nicht akzeptieren möchte.

Und was heißt das jetzt konkret? Ja, es ist richtig, dass Endverbraucher*innen auf gewisse ethische Standards Rücksicht nehmen können und sollten. Aus diesem Grund stelle ich mir vor allem beim Kauf neuer Kleidung regelmäßig die Frage: „Brauche ich dieses Teil jetzt eigentlich wirklich?“ Erschreckenderweise ist das in über 50% der Gelegenheiten einfach gar nicht der Fall. Oft kauft man einfach aus Lust und Laune und weil es in diesem Moment gut aussieht. Wie viele Teile man bereits hat, vergisst man dabei oft. Dabei bietet der eigene Kleiderschrank so viele Kombinationsmöglichkeiten, um ein “neues” Outfit kreativ zusammenzustellen! Das ist auch für mich als Studentin mit einem nicht so prallen Geldbeutel absolut tragbar und ich freue mich jedes Mal wieder, wenn ich mit meinen Kauf-/Tausch- oder Verzichtentscheidungen zu einer gerechteren Welt beitragen kann. Gleichzeitig sind aber auch Unternehmen und Entscheidungsträger*innen in der Politik in der Verantwortung, ihre Lieferketten zu kontrollieren und (gesetzliche) Rahmenbedingungen für gerechte Handelsstrukturen in unserer globalisierten Welt zu schaffen.

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