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Gerechtigkeit
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Die Menschenrechtsmisere

Jeannie

Jeannie, 26 Jahre

Menschenrechte sollen universal gültig sein und jedem Menschen von seiner Geburt an zustehen. Die traurige Realität ist jedoch: Das ist nicht der Fall. Überall auf der Welt werden Menschenrechte verletzt. Die Gründe dafür sind verschieden, doch oft resultieren sie aus menschenrechtsverletzenden Systemen, die oft politischer oder wirtschaftlicher Natur sind. Um gegen die wirtschaftlichen unter ihnen anzugehen, gibt es Organisationen, die sich dem Fairen Handel widmen und sich damit seit über 50 Jahren für Gerechtigkeit und menschenwürdige Bedingungen einsetzen.

Morgens minutenlang verträumt durch den Social-Media-Feed scrollen, bevor es zur Schule geht. Eine Werbung poppt auf: „Spende 5 Euro für peruanische Kartoffelbäuer*innen, die wegen Corona von Armut bedroht sind“ – weiterscrollen. Eine Klassenkameradin hat in ihrer Instagram-Story ihren Frust über Maskenpflichten an Schulen rausgelassen. Viel interessanter. Im Unterricht über die Frage „Wo siehst du dich selbst in zehn Jahren?“ sprechen, und darüber fantasieren, in welch coolem Job man später wohl arbeiten wird. Mittags nach Hause kommen, und Papa hat dein Lieblingsessen gekocht, denn er hat sich gerade einen Teilzeitjob gesucht, um sich an Nachmittagen um Familie und Haushalt zu kümmern.

Okay, das mit dem Papa ist ein bisschen idealisiert, aber der Rest dieser Szene ist für viele von uns in Deutschland das ganz normale, alltägliche Leben. Dass wir unser sorgenfreies Leben jedoch bestimmten Sachen zu verdanken haben, das übersehen wir oft: Zu diesen Sachen gehören unter anderem unsere Menschenrechte, auf deren Einhaltung wir im globalen Norden so einigermaßen bauen können. Was genau sind Menschenrechte aber?

Bei den sogenannten Menschenrechten handelt es sich um 30 Artikel, die die Grundlage für ein würdevolles, faires, und friedliches Miteinander bilden sollen. Vom Recht auf Gleichheit, über das Recht auf Eigentum, Asyl, Religionsfreiheit, Bildung und Arbeit, bis zur Meinungs- und Informationsfreiheit. Auch Verbote, wie das Verbot der Sklaverei und der Folter, sind in unseren Menschenrechten enthalten.

Woher kommen Menschenrechte?

Es ist noch gar nicht so lange her, da gab es diese Rechte nicht. Massenmorde, Zwangsarbeit, Verbot der Meinungsfreiheit und die Misshandlung von Menschen im Zweiten Weltkrieg waren ausschlaggebend dafür, dass sich nach diesen Horror-Jahren einige Staaten zusammengetan haben, um eine Wiederholung solcher Gräueltaten zu vermeiden. Die erst kurz vorher gegründeten Vereinten Nationen veröffentlichten im Jahre 1948 ein Dokument, in dem sie die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ bekanntgaben. Zwei Jahre hatten sie gebraucht, um dieses Dokument zu erarbeiten, am Ende wurde es von der UN-Generalversammlung ohne Gegenstimmen verabschiedet. Bis heute wurde die Menschenrechtserklärung in über 500 Sprachen übersetzt.

Menschenrechte schützen uns – zum größten Teil

Erkennst du, wo die Menschrechte in deinen Alltag einfließen? Die Klassenkameradin, die frei Entscheidungen in der Politik kritisieren darf? Dank der Meinungsfreiheit. In die Schule gehen und im Unterricht auf die Zukunft vorbereitet werden? Dank des Rechts auf Schulbildung. Papa, der sich, um sich um die Familie und den Haushalt zu kümmern, einen neuen Job suchen konnte, in dem der Verdienst nach wie vor zum Leben reicht? Dank des Rechts auf freie Berufswahl und faire Entlohnung.

An diesem Beispiel sieht man aber, dass selbst bei uns noch nicht alle Menschenrechte verwirklicht sind: Das Recht auf Arbeit beispielsweise besagt: „Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.“ Ja, Papa hat sein Recht auf freie Berufswahl genutzt. Falls er mal arbeitslos wird, kann er aber ein „Recht auf Arbeit“ nirgendwo einklagen.

Menschenrechte gibt es nicht für alle

Schön wäre es, wenn überall auf der Welt diese Menschenrechte das Leben der Menschen bestimmen würden. Leider gibt es aber bei ihrer Durchsetzung viele Defizite. Erinnerst du dich noch an den peruanischen Bauern aus der Werbung, dem man mit einer Spende von 5 Euro helfen kann? Durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns kriegt er seine Kartoffeln nicht auf den Markt transportiert. Schutz und Hilfe vom Staat bekommt er auch nicht. Besonders in Krisensituationen werden Menschenrechte hintenan gestellt, einen finanziellen Ausgleich für unzureichendes Einkommen gibt es längst nicht überall. Und so wie der peruanische Bauer müssen leider noch viele Menschen täglich um ihr Überleben bangen. Es ist ein notwendiges Dokument, das da vor 70 Jahren verabschiedet wurde, doch leider wird es nicht überall auf der Welt respektiert und viele Menschen leiden noch heute unter miserablen Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Konzerne beuten Produzent*innen aus

Um die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen, die dafür sorgen, dass bei uns Schokolade, Kaffee und Bananen jederzeit zu überschaubaren Preisen bereitstehen, dauerhaft verbessern zu können, brauchen wir das Zusammenwirken von Wirtschaft, Politik, und Konsument*innen. Viele große Lebensmittelkonzerne beuten Bäuer*innen und ihre Kinder systematisch aus, um mehr Profit zu machen, indem sie ihnen sehr niedrige Löhne zahlen.

Artikel 23, der Menschenrechtserklärung – der mit dem Recht auf Arbeit – soll aber, neben den „befriedigenden Arbeitsbedingungen“ auch folgendes garantieren: „Jeder hat das Recht auf einen fairen Lohn, der ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.“

Der erste Satz von Artikel 26 der Menschenrechtserklärung besagt: „Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung.“ Was aber, wenn Kinder in Umständen leben, in denen sie schlichtweg nicht zur Schule gehen können? Weil sie mit ihren Eltern zusammen auf dem Feld arbeiten müssen, um genug Geld für Nahrung zu haben? Klingt unvorstellbar? Für viele Kinder ist dies leider Realität. Sie werden ab einem frühen Alter dazu gezwungen, zu arbeiten. Zum Beispiel beim Anbau von Kakao ist dies leider häufig zu beobachten. Es ist gut möglich, dass der Kakao, den du am Morgen trinkst, von Kinderhänden geerntet wurde. Kinderhände, die eigentlich das Recht darauf haben, mit Stift und Papier Matheaufgaben zu lösen.

Das Engagement der Fair-Handels-Organisationen

Gegen die Verletzung von Menschenrechten in fernen Ländern vorzugehen, ist schwer. Gegen die wirtschaftlichen Missstände jedoch kann man etwas tun! Glücklicherweise setzen sich Fair-Handels-Organisationen dafür ein, diesen entgegenzuwirken, und zwar so, dass sich die Verhältnisse dauerhaft ändern.

Andrea Fütterer, Vorstand beim Forum Fairer Handel, konnte in ihren ersten Berufsjahren mit eigenen Augen sehen, unter welchen Umständen Bäuer*innen im Globalen Süden arbeiten müssen. Danach war für sie klar, dass sie sich hier in Deutschland weiterhin dafür einsetzten möchte, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen mithilfe des Fairen Handels zu verbessern – und so dazu beizutragen, Menschenrechte durchzusetzen.

 

Andrea FüttererQuelle: Forum Fairer Handel/Rolf K. WegstAndrea Fütterer arbeitet seit 19 Jahren bei der GEPA und ist dort Leiterin der Grundsatzabteilung. Seit 2016 ist sie außerdem Vorstandsvorsitzende von Forum Fairer Handel e.V. (FFH). Ihre Erfahrung im Fairen Handel ist auch ihrem Engagement in Entwicklungsländern zu verdanken. Vor ihrem Debüt bei der GEPA arbeitete sie acht Jahre lang als Beraterin für Kleinbauernorganisationen in Honduras und Nicaragua. Das FFH ist der Verband des Fairen Handels in Deutschland, dessen Ziel ist, das Profil des Fairen Handels zu schärfen, gemeinsame Forderungen gegenüber Politik und Handel durchzusetzen und eine stärkere Ausweitung des Fairen Handels zu erreichen. Einmal im Jahr veranstaltet das Forum Fairer Handel die Faire Woche – die größte Aktionswoche des Fairen Handels in Deutschland.

Das Forum Fairer Handel setzt sich dafür ein, dass auf politischer Ebene etwas geschieht, indem es Forderungen an die Politik zur Herstellung von mehr Gerechtigkeit im Handel  stellt. Die Organisation verlangt eine Sorgfaltspflicht, die Unternehmen gebietet, Menschenrechte und Umweltnormen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu achten sowie Verstöße dagegen zu ermitteln und zu beheben. Das EU-Parlament hat im März 2021 die EU-Kommission dazu aufgerufen,  .

Zusätzlich zur Sorgfaltspflicht verlangt das Forum Fairer Handel ein existenzsicherndes Einkommen für Menschen weltweit und dass die unfairen Handelspraktiken, also das Zahlen von Dumpingreisen an die Produzent*innen zwecks Gewinnmaximierung für die Konzerne, gestoppt werden.

Kleine Erfolge

Manchmal gibt es dann auch kleine Durchbrüche, die Hoffnung machen: „2021 wurde unter anderem endlich das Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht“, freut sich Andrea Fütterer. Mit dem Lieferkettengesetz geht für Unternehmen endlich die Pflicht einher, zu dokumentieren, dass während der verschiedenen Produktionsschritte Menschenrechte eingehalten werden. Trotzdem bemängelt sie, dass das Gesetz viele Schwächen aufweist. Sie hofft, dass in den nächsten Jahren daran gearbeitet wird, weitere wichtige Kriterien in das Gesetz aufzunehmen.

In der Zwischenzeit setzen sich die Fair-Handels-Organisation dafür ein, Bäuer*innen ein menschenwürdiges Einkommen zu verschaffen, indem sie ihnen ihre Produkte zu fairen Preisen abnehmen. So haben Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder zur Schule zu schicken anstatt aufs Feld. Fair-Handels-Organisationen bringen fair gehandelte Alternativen zu Produkten, die unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen entstanden sind, auf den Markt. Erkennen kann man sie beispielsweise an Labels wie GEPA, Weltpartner, El Puente, oder BanaFair.

Wenn wir faire Produkte zu fairen Preisen kaufen, werden folglich faire Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Erzeugerländern hergestellt. Für uns Konsument*innen in Deutschland bedeutet das konkret: Wir können zu einem gewissen Teil Einfluss auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Produzent*innen weltweit nehmen. Wir können beim Einkauf auf die anerkannten Fair-Trade- Labels achten und einfach mal im Weltladen einkaufen – denn dort kommen alle Produkte aus fairer Produktion. Aber auch unser Einsatz für den Fairen Handel auf politischer Ebene kann dazu führen, dass Kindern ihr Recht auf Bildung und den Bäuer*innen ihr Recht auf faire Löhne gewährt wird.

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